Geschichte bis 1975

Geschichte

Fremde verbinden mit "Kremsmünster" das Stift und den Kelch, das Gründungsjahr 777 und den Stifter Tassilo. An die Gemeinde und den Markt denken nur wenige. Ihre bzw. seine Bedeutung kann ja im Vergleich zur mehr als 1200 Jahre alten Tradition des Klosters nur eine geringe sein. Zugenommen hat sie erst in den letzten 100, 200 Jahren. Mit den historischen Veränderungen des gesellschaftlichen und politischen Systems begann sich das Kräfteverhältnis zu wenden. Aus dem Dorf um das Stift wurde die Gemeinde mit einem Kloster. Aus den Bauernhöfen und Häusern mit dem Abt und dem Konvent als Grundherren wurden Straßen und Siedlungen - durchaus auf ehemaligen Klostergründen - mit Blick auf das Kloster. Nur mehr landschaftlich dominiert das Stift.

Markt

Im Stiftsurbar von 1299 umfaßt das "Dorf Kremsmünster" etwa 40 Häuser, wovon sich drei Mühlen lokalisieren lassen. 1382 verlieh Herzog Albrecht III. dem Kloster die ewige Freiung für ein Gebiet, das sich auf den Bereich vor seinem Haupteingang, auf den Unterburgfried, beschränkt hat. Kurz zuvor (1378) wurde inmitten dieses Streifens die heute nicht mehr bestehende Kirche von St.Sigmund gebaut und geweiht. Hundert Jahre später - am 30.April 1489 - erhob Kaiser Friedrich III. auf Bitten des Abtes und des Konvents "ir dorff" (ihr Dorf) zu einem Markt. Von nun an beginnt die Siedlung am Fuße des Klosters hin zur Krems größer zu werden. Mitte des 16.Jahrhunderts wurde der Pfingstmarkt von oben hinab ins Tal verlegt.

Die nächsten Märkte waren Hall, Neuhofen, Lambach und Kirchdorf. Kremsmünster erhielt diese rechtliche Aufwertung im Vergleich zu anderen Stiftsorten im Land ob der Enns relativ spät. Engelhartszell, Lambach und Mondsee z.B. sind schon viel länger Markt. Der wichtigste Faktor im 17.Jahrhundert waren der Tuch- und Leinwandhandel, im 19. Jhdt. etablierte sich an deren Stelle ein Pferdemarkt. Durchaus bedeutend waren die zahlreichen Messer- und Klingenschmiede in der Frühen Neuzeit, die den Markt auch zu einem Punkt auf der heute touristisch und kulturell aufgewerteten "Eisenstraße" machten. Herrengasse Die als Dorf bezeichneten Häuser lagen vor den zwei Eingängen ins Stift, vor dem Eichentor und hangwärts am heutigen Absatz der Langen Stiege.

Die Herrengasse und der Rathausplatz gehören somit zum ältesten Siedlungskern des Marktes. Bei der Barockisierung des Stiftes wurde der Eingang von unten zum Rieder Tor verlegt. Straße Die Orientierung der Häuser auf das Stift hin zeigt sich auch in der alten Wegführung. Eine bedeutende Straße durch das Dorf fehlte. Eine ausreichende Zahl von Brücken über die Krems wurde erst Mitte des 18.Jahrhunderts gebaut. Bis dahin führte der Weg in Furten durch den Fluß. Die Straße entlang der Stiftsmauer entstand erst 1795. 1840 bekam der Markt durch eine Straße vom Rathausplatz zum Fuße des Tötenhengsts eine neue Ausrichtung.

Der einstmals zentrale Platz wurde zum Anhängsel einer Durchzugsstraße. In den 1880er Jahren baute man die Fuxjägerstraße, eine weit ausholende Erleichterung, um vom Tal zum Stift zu kommen, und die Kremstalbahn von Linz bis Kremsmünster. Später verlängerte sich die Strecke bis nach Selzthal. Ein zweiter Bahnhof lag gut siebzig Jahre in der Nähe des Stiftes auf der Strecke von Wels nach Osten, auf der Reisende mit mehrmaligen Umsteigen bis nach Steyr kamen. 1965 stellte man das Teilstück Sattledt - Rohr ein.

Im selben Jahr wurde für den Markt die großzügige Umfahrungsstraße gebaut. Papiermühle, Hofwiese Wie man es von einem so starken Zentrum wie dem Stift erwarten kann, gingen auch die industriellen Impulse von ihm aus. Die Äbte errichteten eine Papiermühle (1542), die erste ihresgleichen in Oberösterreich, und im 18.Jahrhundert eine Tuchfabrik, in der sich heute das Bezirksgericht und die Gendarmerie befinden.

Auch die Elektrifizierung des Ortes 1910, die anfangs ja nicht 'Steckdosen' und 'technische Geräte' bedeutete, sondern 'Beleuchtung', ging auf eine Initiative des Klosters zurück. Vor 60 Jahren mußte man die "Heimatkunde von Steyr" - ein regionalgeschichtlicher Klassiker von Anton Rolleder - aufschlagen, um eine "historisch-topographische Schilderung" von Kremsmünster, also ein Gemeindeporträt, zu finden. Kremsmünster gehört nämlich erst seit 1939 zum politischen Bezirk Kirchdorf.

Noch etwas Gravierendes hat sich nach dem Anschluß geändert. Aus den zwei Gemeinden Kremsmünster-Markt und Kremsmünster-Land wurde eine. Sattledt darüberhinaus abgetrennt und selbständig. Ab 1. November 1938 trat die Zusammenlegung in Kraft. Alleiniger Bürgermeister wurde Josef Loizenbauer aus dem Markt, Franz Brunmayr, sein Kollege von der Landgemeinde, übernahm die Funktion des Ortsbauernführers.

Kompliziert verlief die Enstehung der Gemeinde bis zu ihrem heutigen Umfang. Erstes Resultat der Gemeindebildung war die Zersplitterung der Pfarre in fünf Teile, sechs, wenn man den Anteil von Rohr dazuzählt. Es entstanden die politischen Einheiten von Kirchberg, Kremsegg, Sattledt, Burgfried und Markt. Die ersteren drei waren "Bauerngemeinden", denen die letzteren zwei in manchen Zuständigkeitsbereichen rivalisierend gegenüberstanden. 1874 beschloß der Landtag auf deren Wunsch und trotz skeptischer Einwände der Bauern den Zusammenschluß aller zu einer Großgemeinde.

Fünf Jahre gemeinsames Agieren änderte die Meinung der sich in Minderheit befindenden Bürger des Marktes und ließ sie einen Antrag auf Trennung stellen. Somit entstanden 1879 die zwei Gemeinden Kremsmünster-Markt und Kremsmünster-Land. Parteipolitisch beherrschten die Landgemeinde die Konservativen bzw. später die Christlich-Sozialen, während im Markt das deutsch-nationale Lager am stärksten war. Die Sozialdemokraten waren in beiden Gemeinden in der Minderheit.

Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts dominierte in der Gemeindepolitik von Kremsmünster(-Markt) ein Mann - Franz Hönig. Er, ein zugezogener Kupferschmied, bekannt als Heimatdichter, Mitglied der Großdeutschen Partei, regierte drei Jahrzehnte lang den Markt. Seine Popularität war so groß, daß sein Porträt 1920 das Notgeld zierte - bescheidenerweise am kleinsten Schein, 10 Heller.

Die Entwicklung in den dreissiger Jahren verlief in Kremsmünster im gleichen Trend, der in ganz Österreich herrschte. Selbstverständlich waren die Funktionäre Mitglieder in der Vaterländischen Front, selbstverständlich gab es illegale Nationalsozialisten, selbstverständlich wurden es immer mehr, selbstverständlich war der Markt beflaggt und der Jubel groß, damals im Frühling 1938, selbstverständlich pflanzte man eine Eiche und benannte Plätze um.

Im Herbst 1946 erstellte die Gemeinde im Auftrag der Landesregierung eine Liste der Angehörigen der NSDAP. 285 Personen wurden dabei registriert. In den vierziger Jahren stieg die Bevölkerungszahl um mehr als ein Viertel durch die starke Zuwanderung. Die ersten fremden Volksgenossen wurden noch mit Spannung erwartet.

1940 kamen Bessarabier, Volksdeutsche, Menschen in Pelzen, "ein starkes Geschlecht". Sie wurden bestaunt und bewundert und im Stift untergebracht. Den vielen Flüchtlingen nach Ende des Krieges - in der Sprache der Befreier/Besatzer "d.p." genannt, "displaced persons" - begegnete man argwöhnischer, reservierter. Vielleicht, weil sie blieben. Südlich des Ortskerns entstand ein großes Barackenlager, das seinen Namen von den Neuzugezogenen erhielt: Gablonzer-Siedlung.

Die Heimatvertriebenen brachten ein großes Know-how für die Glasverarbeitung mit, das sie auch hier zu nutzen wußten, indem sie Familienbetriebe gründeten. Der Geschäftsführer der Gablonzer Glas- und Schmuckwarenerzeugung versicherte in seiner Eröffnungsansprache den Anwesenden, "daß alle umgesiedelten Gablonzer ihr Bestes leisten werden, um ihrer neuen Heimat am Aufbau zu helfen."

Politisch dominiert in der Gemeinde die ÖVP-Fraktion, die auch die vier Bürgermeister seit 1945 stellt. 1975 übersiedelte die kommunale Administration vom alten ins neue Rathaus. Der Neubau wurde an Stelle zweier alter Markthäuser gesetzt und damit zum architektonischen Symbol für den Aufschwung und den Wandel der Gemeinde in den letzten Jahrzehnten.