Kirchberg - 500 Jahr Glockenjubiläum

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500 Jahre Kirchberger Glocken

Vier Glocken haben wir in unserem weithin sichtbaren, 45 m hohen Turm von Kirchberg – zwei von ihnen feiern heuer ein außergewöhnliches Jubiläum: Sie sind zusammen 1000 Jahre alt! Sie – die größte und die kleinste Glocke – sollen nun näher vorgestellt werden.

von Prof. Dr. P. Benno Wintersteller, Kaplan von Kirchberg (Oktober 2008)

Beginnen wir mit dem Glockengießer: Lienhard Rannacher (geschrieben Rännacher – das ä darf nicht als Umlaut, sondern muss als helles a gesprochen werden!) ist ihr Schöpfer, der in Passau 1488 Meister geworden und bis 1518 dort bezeugt ist. Sein Hauptwerk ist der 1514 gegossene Pilgerbrunnen vor der Wallfahrtskirche St. Wolfgang am Wolfgangsee, der auch heute noch Pilger und Touristen mit seinem Wasser begrüßt.

Die kleine Glocke wiegt 160 kg, hat einen Durchmesser von 66 cm und ist auf den Ton Es gestimmt. Alle vier Glocken ergeben zusammen einen Quart-Sext-Akkord in As-Dur (Es-As-C-Es). Jetzt aber zu unserer Primadonna, der großen Glocke. Sie wiegt das Vierzehnfache der kleinen, nämlich rund 2.200 kg, hat einen Durchmesser von 156 cm und erklingt ebenfalls in Es. Ihre lateinische Inschrift (in gotischen Lettern) wendet sich direkt an Christus und lautet übersetzt: „Jesus von Nazareth, König der Juden, König der Herrlichkeit, komm mit Frieden – du heiliger Gott, heiliger starker, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser“.

Am historisch interessantesten ist aber das Folgende, das zuerst im lateinischen Original wiedergegeben wird: „hoc opus factum est anno domini MDVII sub juliano papa secundo ∙ maximiliano cesare ∙ et johanne abbate in crembsmuenster – Dieses Werk wurde in Jahr des Herrn 1508 gemacht, als Julian (!) II. Papst, Maximilian Kaiser und Johannes Abt in Kremsmünster war(en).“ Dieser Papst Julian ist Julius II Rovere, der 1503 – 1513 Papst und der den Kirchenstaat – nach der skandalösen Regierung von Alexander VI. – gerade durch seine kriegerischen Unternehmungen, die er persönlich anführte, wieder konsolidiert hat.

Julius II. hat Michelangelo die Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle anvertraut und dieses Wunderwerk der abendländischen Freskomalerei wurde 1508 begonnen. Julius II war auch der letzte Papst, der eine einheitlich katholische Kirche regieren durfte, denn unter seinem Nachfolger Leo X. veröffentliche Martin Luther 1517 seine berühmten 95 Thesen und die unselige Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten nahm ihren Anfang.

Diesen Thesenanschlag erlebte auch Kaiser Maximilian I., „der letzte Ritter“, der bis 1519 regierte und 1508 den Titel „Erwählter römischer Kaiser“ annahm, weil ihm die traditionelle Kaiserkrönung in Rom durch den Papst nicht vergönnt war. Seine Heiratspolitik, die Verehelichung seiner Kinder und Enkel, schuf dann das weltumspannende habsburgerische Reich, in dem „die Sonne nicht unterging“, und das den wohlbekannten Spruch hervorbrachte: „Bella gerant alii, tu felix Austria nube – mögen andere Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate.“

Mit diesem Kaiser war auch die dritte in der Glockeninschrift genannte Person eng verbunden: Abt Johannes Schreiner (1505 – 1524). Er stammte aus Zlabings in Mähren, war Leiter der Lateinschule in Kremsmünster, trat dann 1485 in das Kloster ein und wurde 1505 zum Abt gewählt. Für den Markt Kremsmünster sorgte er besonders dadurch, dass er vom Kaiser Maximilian 1510 die Errichtung einer Schleifer-, Klingen- und Messerschmiedgilde erreicht, was für die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes von großer Bedeutung war.

Abt Johannes war es auch, der 1519 dem Kaiser in der Burg von Wels beim Sterben beistand und der mit zwei anderen zum Testamentvollstrecker ausersehen war. So ist die Inschrift dieser Glocke ein Zeuge dafür, dass Kremsmünster damals in die Kirchen- und Weltpolitik eingebunden war, und Kirchberg, das bis 1785 ja Pfarrkirche war, ist stolz, die abendländische Tradition sicht- und hörbar auch in Zukunft und für eine friedliche Zukunft („cum pace“) bewahren zu dürfen.

Foto: Kaplan Pater Benno Wintersteller (links) und Mesner Bernhard Kautny bei der 500 Jahre alten Glocke, die heute sogar funkferngesteuert werden kann

Details: http://www.kirchberg.kremsmuenster.at