Erinnerungen an die Welserbahn

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Erinnerungen an die „Welserbahn“ hat der Direktor des Stiftsgymnasiums, Mag. Wolfgang Leberbauer, in den letzten Jahren zusammengetragen und im Jahresbericht 2007 des Stiftsgymnasiums Kremsmünster veröffentlicht.

Seitdem das Aufnahmegebäude des Bahnhofs Kremsmünster Stift (heute Wohnhaus) an der Welser Straße mustergültig renoviert ist und außerdem die Aufschriften auf die ursprüngliche Funktion hinweisen, ist auch jüngeren Bewohnerinnen und Bewohnern unserer Gemeinde bewusst, dass durch Kremsmünster einmal eine zweite Bahnlinie geführt hat. Die mittleren und älteren Jahrgänge haben noch ihre eigenen humorvollen und romantischen Erinnerungen an die im Volksmund so genannte „Welserbahn“.

Nachdem die Welser Lokalbahngesellschaft ein paar Jahre zuvor eine Verbindung nach Aschach und damit zum Schiffsverkehr auf der Donau errichtet hatte, wurde die aufstrebende Handelsstadt 1892/93 durch eine Bahnstrecke über Steinhaus-Sattledt-Kremsmünster Stift nach Unterrohr mit der Kremstalbahn verbunden. Drei große Brücken waren notwendig (Traunbrücke zwischen Wels und Aschet, Brücke über den Wolmersgraben bei Kirchberg, Kremsbrücke in der Au), einige Viadukte mussten errichtet werden, schwierige Geländeverhältnisse machten hohe Dämme und tiefe Geländeeinschnitte notwendig. Trotzdem war die Strecke nach 15 Monaten Bauzeit fertig. 1901 wurde eine Abzweigung von Sattledt nach Grünau (die heute noch bestehende „Almtalbahn“) gebaut.

Vier Zugspaare täglich

Vier, später drei Zugspaare verkehrten täglich zwischen Wels und Bad Hall (auch die Zweiglinie der Kremstalbahn von Rohr nach Bad Hall wurde bis 1965 von Wels aus bedient). In den ersten Jahrzehnten war der Personenverkehr durchaus ansehnlich; der Güterverkehr entwickelte sich weniger günstig. Bis 1938 gehörten der Bahnhof Sattledt und die Haltestelle Sipbach zur Gemeinde Kremsmünster Land, bis zur Einstellung des Zugsverkehrs 1965 hielten die Züge auf Kremsmünsterer Gemeindegebiet in der Haltestelle Kollendorf, im Bahnhof Kremsmünster Stift sowie in den Haltestellen Wolfgangstein und Achleithen.

Die Strecke war ursprünglich im Eigentum der Stadt Wels, den Betrieb besorgte die k.k.St.B., später die BBÖ. 1942 wurde die Bahnlinie der Deutschen Reichsbahn einverleibt, nach dem Krieg verblieb sie bei der ÖBB. Anfangs verkehrten die Nebenbahnlokomotiven der Reihe 97 auf der Welserbahn; sie wurden später von der stärkeren Reihe 99 abgelöst. Bereits in den 30er Jahren gab es Versuche, die Strecke zu verdieseln; allerdings waren die damals noch schwach motorisierten Triebwägen für die beträchtlichen Steigungen (bis zu 27 ‰) nicht geeignet. Schließlich besorgten in den letzten Jahrzehnten die bewährten ÖBB-Nebenbahnlokomotiven der Reihe 93 den Verkehr.

Sanierung vor der Stilllegung

Die Fahrgastfrequenz nahm anfangs der 60er Jahre zusehends ab: Die individuelle Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten hatte begonnen. Die schwerfälligen Bundesbahnen passten den Fahrplan nicht den Bedürfnissen der Menschen an, im Gegenteil: Jeweils kurz vor den Abfahrtszeiten der Züge verkehrten Parallelkurse der ÖBB-Busse. Trotzdem wurde 1964 in die Bahnlinie Wels-Rohr kräftig investiert, der Oberbau wurde erneuert, neue Schienen wurden verlegt, die Brücken saniert. Der Stiftsbahnhof erhielt einen neuen Anstrich und neue Toilettenanlagen.

Viele konnten es daher nicht glauben, als am 24. März 1965 die ÖBB-Direktion Linz mitteilte, schon am Sonntag, 28. März würden die letzten Züge von Wels nach Bad Hall fahren. Am letzten Betriebstag waren viele Kremsmünsterer auf dem Stiftsbahnhof versammelt, um der liebevoll „Dschungelexpress“ genannten Bahn Lebewohl zu sagen. Die Marktmusikkapelle spielte im Gepäckwaggon des letzten Zuges, auch eine große Gruppe von Stiftsgymnasiasten mit Transparenten fuhr mit.

Proteste der Bevölkerung

Die Proteste seitens der Bevölkerung und der Gemeinden an der Strecke fruchteten nichts, auch nicht eine parlamentarische Anfrage an den Verkehrsminister. Die Auflassung des Verkehrs wurde mit einem zu großen Defizit begründet. Zwei Monate später wurden in Wels neue Dieseltriebwagen der Reihe 5081 („Schienenbusse“) stationiert, die einen wirtschaftlicheren Betrieb ermöglicht hätten. Zunächst wurde ein Schienenersatzverkehr mit dem Bus eingeführt. Von Wels nach Bad Hall mussten die Fahrgäste zweimal umsteigen! Im Winter 1966/67 wurden die Schienen demontiert, einige Zeit später wurde die Kirchberger Brücke abgetragen, auch der Schienenersatzverkehr wurde eingestellt.

Aus heutiger Sicht war die Einstellung kurzsichtig. 25 Jahre später sah sich die ÖBB v. a. für den Güterverkehr gezwungen, abermals eine Verbindung von der Westbahn zur Pyhrnbahn zu bauen (Marchtrenk-Traun). Am Stiftsgymnasium wären wir heutzutage wegen des Schülertransports aus dem unteren Kremstal und aus Bad Hall bzw. aus Richtung Wels-Steinhaus-Sattledt froh, wenn die Welserbahn noch existierte. Viele Kremsmünsterer und Altkremsmünsterer, d. h. ehemalige Studenten des Stiftsgymnasiums, haben persönliche Erinnerungen an die Bahnstrecke.